Religion als Streitobjekt

Spielszenen zum Thema

Autor_Innen:
Freiheitsraum Reformation (Dagmar Freist, Sven Kramer, Andrea Strübind, Matthias Weber),
Theaterbande, die Schauspieler_in Harry Heib und Laura Schümann

Erstaufführung: Evangelischer Kirchentag Stuttgart, 4. Juni 2015


Bild

Harry Heib als Martin Luther, Laura Schümann als Johannes Calvin.

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Vorwort von Dagmar Freist

„Religion als Streitobjekt“ thematisiert auf der Grundlage einer Vielzahl archivalisch überlieferter historischer Dokumente vom 16. bis zum 18. Jahrhundert das Konfliktpotential, das religiösen Differenzen im Alltag inhärent war und ist. Friedliche religiöse Koexistenz, die sich etwa in gemeinsam genutzten Kirchenräumen oder in konfessionell gemischten Ehen manifestierte, konnte in Reibereien und Streitigkeiten im Alltag bis hin zu Gewaltanwendung und Kriegen umschlagen. Die Hintergründe waren vielfältig. So konnten Konflikte um die religiöse Markierung des öffentlichen Raumes und damit um dessen  konfessionspolitische Inbesitznahme ausbrechen, um symbolisches Kapital, um die theologische Wahrheitsfrage und Heilsversprechen, und um machtpolitische Fragen und Einfluss Sphären in Familienverbänden, dörflichen und städtischen Gemeinschaften und zwischenstaatlichen Beziehungen. Die Bedingungen friedlichen religiösen Zusammenlebens mussten permanent neu ausgehandelt, die Konfliktursachen erforscht und überwunden werden. Jede neue Generation hat andere Umgangsweisen in der Bewältigung von Konfliktursachen und Konflikten entwickelt und dennoch gibt es wiederkehrende Mechanismen.

Die Auseinandersetzung mit dem labilen Verhältnis von Friedenswahrung, Konflikten und Konfliktlösung in religiös gemischten, vergangenen Gesellschaften sensibilisiert uns für religionspolitisch motivierte Konfliktursachen und Ausgrenzungsmechanismen in unserer Gegenwart. Erst die Erkenntnis solcher religiös unterlegten Konfliktpotentiale in unserem gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Handeln befähigt uns, die impliziten Beweggründe unseres Tuns zu begreifen und kritisch zu reflektieren, um handlungsfähig zu werden.

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Religion als Streitobjekt – ein Spielauftrag

Eindrücke von Harry Heib, Schauspieler und Initiator der Theaterbande

Das war eine spannende Aufgabe. Als Dagmar Freist vom Freiheitsraum Reformation auf mich zukam und mich fragte, ob ich für den Kirchentag einen Spielbeitrag leisten könnte, fühlte ich mich geehrt und herausgefordert. Wie würden meine Kollegin Laura und ich das Thema umsetzen können und auch dürfen? Wie würde das Publikum reagieren? Dürfen wir das Thema überhaupt annähernd unterhaltsam bebildern? Die Annäherung der Religionen und Kulturen ist ein hochaktuelles Thema und derzeit allgegenwärtig. Können wir es schaffen, durch die Darstellung der historischen Gegebenheiten, eine Brücke zu schlagen zur aktuellen Problematik? Eine neue Diskussion über ein Thema einzuleiten, das gerade jetzt in der Gesellschaft und den Medien sehr präsent ist?

Es begann ein intensiver Prozess. Die Kooperation Freiheitsraum Reformation lieferte uns historische Daten und Fakten, teilweise Texte, und wir konnten mit der Arbeit beginnen. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal für das große Vertrauen bedanken, das meiner Kollegin Laura Schümann und mir entgegengebracht wurde. Wir durften völlig frei agieren und uns bei der Umsetzung der Theaterszenen richtiggehend austoben. Und so konnten wir, mit unseren Mitteln, auf unsere eigene Weise die Veranstaltung unterstützen. Dass wir dabei mit so viel Offenheit, Vertrauen, Herzenswärme und auch Lob bedacht und verwöhnt wurden, macht uns im Nachhinein noch sehr stolz und erfüllt uns mit großer Zufriedenheit. Wir konnten einen kleinen Beitrag liefern, ein Gespräch einzuleiten und eine Diskussion wachzuhalten, die sicherlich sehr wichtig ist und uns alle, als Gläubige und/oder Gesellschaft, beschäftigen muss.

Aufzuklären, Impulse zu liefern und darin auf Augenhöhe mit anderen Medien mitzuhalten, ist für das Theater nicht leicht in einer Zeit, in der Informationen immer und überall abrufbar sind.

Doch einmal mehr habe ich hier die Erfahrung gemacht, dass Schauspiel für die Menschen doch noch einen anderen Zugang zu Geschichten und Informationen bietet. Es ist einfach die direkte, emotionale Art, die den Zuschauer berührt, ihn mitnimmt und einlädt, sich Inhalten und Themen zu widmen. Ich hoffe sehr, dass wir durch unsere Arbeit und unser Spiel noch oft unser Publikum mit auf eine Reise nehmen dürfen, sie einladen dürfen, sich zu öffnen und Geschichten zu erleben. Und dass wir so dazu beitragen, Gespräche in Gang zu setzen oder lebendig zu halten.

Dann ist das Theater da, wo es hingehört: Beim Publikum. 

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