Call For Projects Jetzt Mitmachen! Freiheitsraum Reformation 2017: Alle Informationen auf einen Blick
Die Lutherdekade, das Lutherjahr 2017- Das gemeinschaftliche Erinnern „der“ Reformation, die so viele Glaubensrichtungen hervorgebracht, so viele Gesellschaften verändert und so viele tiefgreifende Konflikte ausgelöst hat, ist keine einfache Angelegenheit. Die eindeutige Konzentration des Jubiläums auf die Figur Martin Luther wird vielfach kritisiert- ist doch Luther nur ein Teil einer vielgestaltigen Bewegung, die sich durch Mittel- und Westeuropa zog. Erinnerungskultur, Politik oder die Vermarktung der Vergangenheit? Dieser Frage muss sich öffentliches Erinnern immer wieder stellen, denn in unseren religiös und kulturell pluralisierten Gesellschaften stoßen Formen des öffentlichen Erinnerns immer wieder an die Grenzen dessen, was möglich, was „erinnerbar“ ist.
2014 beschäftigt sich der „Freiheitsraum Reformation“ mit den vielen Facetten des Erinnerns und Vergessens von Reformation und religiöser Pluralisierung von 1517 bis 2017. Von aktuellen Fragen der Erinnerungskultur und ihren politischen Implikationen, über die Auseinandersetzung mit materiellen Zeugen der Erinnerung, mit der Problematik ideologischer Vereinnahmung historischer Inhalte und der Verantwortung des Erinnerns, bis zu historischer und aktueller Sterbe- und Todeskultur steht das von großen Gedenk- und Jubiläumsfeiern geprägte Jahr 2014 auch im „Freiheitsraum Reformation“ ganz im Zeichen der Erinnerung.
Erinnerungskultur bedeutet, dass Individuen und Gesellschaften entweder unbewusst, oder auch ganz bewusst auswählen, welche Teile der Geschichte sie zu „ihrer“ Geschichte machen wollen, wie sie ihre eigene Geschichte, die ihrer Kultur, Nation oder Religion erzählen. Erinnerungskultur findet sich nicht nur in unseren Denkmälern oder Kirchenräumen, sondern auch in den Feiertagen, die wir begehen, in unseren Mythen, Legenden, Redewendungen und Schulbüchern. Als „Souvenirs“, „Erinnerungen“, bezeichnen wir jene großen und kleinen Gegenstände, mit denen wir uns gezielt an etwas erinnern- so hatten etwa Luther-Becher als „Reformationssouvenirs“ ab dem 17. Jahrhundert Konjunktur. Ab dem 19. Jahrhundert wurden Luther-Souvenirs aller Art begeistert geprägt und gesammelt. Reformationsjubiläen wurden ab 1617 gefeiert- und jedes Jahrhundert ging anders mit der Reformationserinnerung um, so stand etwa das Reformationsjubiläum 1917 ganz im Zeichen des ersten Weltkrieges.
Große Jubiläen, wie das „Lutherjahr“ 2017, stellen unsere Gesellschaften immer wieder vor die Frage, wie wir uns erinnern möchten - wollen wir historische Persönlichkeiten und Ereignisse „feiern“, wollen wir ihre Folgen und unseren Umgang mit ihnen hinterfragen, oder sind es Anlässe, bei denen mit viel Diplomatie und Fingerspitzengefühl einem historischen Inhalt gedacht werden muss? 2014 wird europaweit vor allem ein Jahr des sensiblen Gedenkens, des Hinterfragens: Zum 100. Mal jährt sich der Ausbruch des ersten Weltkrieges im Sommer 1914. Aber auch der Mauerfall und die Öffnung der innerdeutschen Grenzen im November 1989 feiern 2014 ihr 25-jähriges Jubiläum. Sowohl die Erinnerung an den Zusammenbruch der DDR-Diktatur, als auch das Gedenken an den ersten Weltkrieg mit seinen circa 17 Millionen militärischen und zivilen Todesopfern sind eng verknüpft mit einem weiteren, oftmals sehr privaten Aspekt von Erinnern und Erinnerungskultur: Dem Umgang mit Tod und Verlust, dem Gedenken an Verstorbene. Friedhöfe sind Orte des Erinnerns, Gedenksteine und Kreuze, aber auch Fotos, Bilder, Erbstücke, aufbewahrte Gegenstände bilden kleine Erinnerungsorte in unseren Wohnungen und Häusern.
Vielfach prägen die Rituale unserer Religionen unseren Umgang mit dem Tod und leiten das Erinnern ein, durch Waschen oder Wachen, Bestatten oder Verbrennen, Singen oder Klagen - religiöse Pluralisierung bringt ein immenses Spektrum an Praktiken des Umgangs mit Sterben und Tod mit sich. Religiöse Pluralisierung kann auch die Umdeutung und Umdichtung bisheriger Rituale im Dienste von Erinnerungskultur zur Folge haben- so wurde im lutherischen Teil Ostfrieslands im 19. Jahrhundert der Brauch des Laternelaufens am Martinstag umgedeutet: Lutherische Kinder in Ostfriesland laufen Laterne, um Martin Luthers Geburtstag am 10. November 1483 zu feiern. Bis heute werden Laternelieder wie „Martinus Luther war ein Christ, ein glaubensstarker Mann/ weil heute sein Geburtstag ist, zünd’ ich mein Lichtlein an“ gesungen.
Ob nun tatsächlich belegbares Ereignis oder Legende: Es ist ein fester Bestandteil unserer Erinnerungskultur, dass am 31. Oktober 1517 ein Augustinermönch 95 theologische Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg hämmerte und damit die Welt aus den Angeln hob. 2014 wird dieser Erinnerungsinhalt und die vielen Veränderungen, Umdeutungen, Anfeindungen und Verklärungen, die er in fünf Jahrhunderten erfahren hat, zum Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung des „Freiheitsraums Reformation“ mit dem Themenkomplex Erinnerungskultur.
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